Von Oliver Arentz
Das Bundesverfassungsgericht hat am 10. April dieses Jahres die Einheitsbewertung für die Bemessung der Grundsteuer für verfassungswidrig erklärt. Überraschend kam das Urteil nicht. Ihm ist ein langer Zug durch die Instanzen vorausgegangen, der von einer intensiven Diskussion um mögliche Reformen in Politik und Fachpresse begleitet wurde. Dennoch konnte sich die Politik nicht auf ein Reformmodell einigen und hielt an den Einheitswerten als Bemessungsgrundlage fest. Daher ist das Urteil des BVerfG auch ein Weckruf an die Politik, nach jahrelanger Diskussion die seit mindestens 2002 verfassungswidrige Bemessungsgrundlage der Grundsteuer neu zu regeln. Entsprechend kurz fielen die Fristen hierfür aus. Bis Ende 2019 muss eine grundsätzliche Neuregelung beschlossen werden. Bis diese vollständig implementiert ist, dürfen die Einheitswerte längsten bis Ende 2024 herangezogen werden.
Können sich die Entscheider auf Bundes- und Landesebene nicht zu einer fristgerechten Lösung durchringen, sind die Kommunen die großen Verlierer, weil die Ertragshoheit der Grundsteuer bei ihnen liegt. Immerhin 13 Prozent der kommunalen Einnahmen stehen auf dem Spiel. Die ersten Verlautbarungen nach dem BVerfGUrteil lassen jedoch keine schnelle Einigung erkennen. Insbesondere die komplexen Wirkungen auf den Länderfinanzausgleich dürften ein Streitpunkt bleiben. Allerdings sollten die Fehler des Länderfinanzausgleichs dort geregelt werden und nicht als Begründung für steuersystematisch fragliche Entscheidungen bei der Wahl der Grundsteuerbemessungsgrundlage herhalten.
Die Grundsteuer sollte als „gute“ Gemeindesteuer erhalten bleiben
Die Grundsteuer sollte dringend erhalten werden, weil sie besonders gut zur Finanzierung kommunaler Leistungen geeignet ist. Richtig ist, dass ein Teil der kommunalen Leistungen über grundstücksbezogene Gebühren und Abgaben finanziert werden. Allerdings verbleibt ein nicht unbedeutender Anteil kommunaler Leistungen, dessen Finanzierung aufgrund politischer oder technischer Zwänge nicht unmittelbar und vollständig dem Nutzer angelastet werden kann (wie Grünflächen, soziale, kulturelle und technische Infrastruktur, öffentliche Verwaltung usw.). Für diesen Teil stellt die Grundsteuer eine sinnvolle Finanzierungsquelle dar, weil sie erstens die Grundstücksnutzer vor Ort belastet und die Gemeinden den Hebesatz und damit die Steuerhöhe selbst bestimmen können. Dadurch besteht enger Zusammenhang zwischen der Nutzung und Finanzierung kommunaler Investitionen, der die Kommunalpolitiker diszipliniert, im Sinne der Wohnbevölkerung und ortsansässigen Betriebe zu handeln. Zweitens liefert sie ein konstantes Aufkommen, das kaum konjunkturellen Schwankungen unterworfen ist. Und drittens hat sie kaum verzerrende Wirkungen, weil sie aufgrund der Immobilität der Grundstücke nicht vermieden werden kann.
Vor diesem Hintergrund müssen Verfechter einer Abschaffung der Grundsteuer erklären, wie sie die resultierende kommunale Finanzierungslücke schließen wollen. Eine Erhöhung der Gemeindeanteile an der Einkommen- oder Umsatzsteuer etwa würde die negativen Wohlfahrtswirkungen dieser Steuern erhöhen und den Steuerwettbewerb zwischen den Gemeinden schwächen, weil für die Wohnbevölkerung und ansässigen Betriebe kein Zusammenhang zwischen Steuerlast und kommunalen Leistungen spürbar wäre. Allerdings haben die skizzierten Vorteile den „Preis“, dass die individuelle Leistungsfähigkeit in der Grundsteuer nur sehr unvollständig abgebildet wird, weil sie an die Immobilie und nicht an den Steuerpflichtigen geknüpft ist. Letzteres trifft auf alle Objektsteuern zu. In der Summe überwiegen die positiven Eigenschaften der Grundsteuer als „gute“ Gemeindesteuer.
Flächenmodell, Kostenwertmodell oder Bodenwertmodell?
Aktuell werden drei Reformoptionen für die Grundsteuerbemessungsgrundlage diskutiert: Flächenmodell, Kostenwertmodell und Bodenwertmodell. Während im Flächenmodell nur die qm-Anzahl der Grundstücksfläche und der Bebauung berücksichtigt wird, sieht das Kostenwertmodell eine am Verkehrswert orientierte, pauschalierte Bewertung des Grundstück und der Aufbauten als Bemessungsgrundlage vor. Dagegen wird im Bodenwertmodell nur der pauschalierte Wert des Grundstücks für die Bemessung der Grundsteuer herangezogen. Während das Flächenmodell mit seiner Einfachheit punktet, nimmt das Kostenwertmodell Rücksicht auf das Bauchgefühl in Bezug auf Steuergerechtigkeit. Allerdings dürfte eine verkehrswertnahe Bewertung, wie im Kostenwertmodell vorgesehen, nicht in der vom BVerfG gesetzten Frist umsetzbar sein. Das Flächenmodell hingegen könnte am Bauchgefühl scheitern: Innerhalb einer Gemeinde würden alle Immobilien bei gleicher Grundstücksfläche und gleicher bebauter Fläche mit der gleichen Grundsteuer belastet. Politisch dürfte es kaum vermittelbar sein, warum ein Neubauobjekt in erstklassiger Wohngegend in der Grundsteuer ebenso behandelt wird wie eine sanierungsbedürftige Immobilie in schlechter Lage. Zudem „bestrafen“ beide Modelle die Ausnutzung der auf dem Grundstück liegenden Baurechte, weil die Grundsteuer mit der Intensität der Bebauung steigt. Dies ist zum einen aus ökologischen Gesichtspunkten bedenklich, weil es Zersiedlungstendenzen vorantreibt. Zum anderen konterkariert es die stadtplanerischen Überlegungen, die auf einer maximalen Ausnutzung der gewährten Baurechte beruhen.
Das Bodenwertmodell verbindet die Vorteile beider Modelle und unterstützt ökologische und stadtplanerische Ziele. Als Bemessungsgrundlage dienen die sogenannten Bodenrichtwerte, die den durchschnittlichen Bodenwert für räumlich beieinanderliegende Grundstücke angeben. Um den Einfluss der tatsächlichen Bebauung auszuschalten, wird fiktive von unbebauten Grundstücken ausgegangen. Dadurch steigt die Bodenwertsteuer nicht, wenn die Baurechte im Sinne ökologischer und stadtplanerischer Ziele voll ausgeschöpft werden und das Halten unbebauter Grundstücke wird nicht durch eine geringere Grundsteuer „belohnt“. Gleichzeitig ist die Bodenwertsteuer relativ einfach umzusetzen, da die Bodenrichtwerte bereits heute von den Gutachterausschüssen weitgehend flächendeckend erhoben werden. Die vorhandenen „schwarzen Flecken“ und mögliche Probleme bei der Datenqualität sind mit relativ geringem Aufwand zu beheben. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass das BVerfG deutlich gemacht, dass Pauschalierungen verfassungsrechtlich unbedenklich sind, sofern die Wertstrukturen innerhalb einer Gemeinde korrekt abgebildet werden. Auch dem Bauchgefühl dürfte die Bodenwertsteuer in der Regel entsprechen, weil Grundstücke in Top-Lagen höher besteuert werden als gleichgroße in schlechten Lagen.
Aufkommensneutralität und Verteilungswirkungen
Einigkeit herrscht unter den Parteien, dass die Reform aufkommensneutral sein soll. Allerdings ist noch unklar, was damit genau gemeint ist. Aufkommensneutralität auf Bundesebene kann durch eine Anpassung der Steuermesszahl erreicht werden, die das Niveau der Grundsteuer insgesamt bestimmt. Um Umverteilungswirkungen zwischen den Länder zu vermeiden, könnte die Steuermesszahl in die Hoheit der Länder übertragen und von jedem Bundesland individuell bestimmt werden. Gleichzeitig sollten die Gemeinden den Hebesatz so anpassen, dass auch auf Gemeindeebene das Grundsteueraufkommen durch den Übergang auf eine neue Bemessungsgrundlage unverändert bleibt. Unter der Annahme eines auf Gemeindeebene konstanten Aufkommens kommen Simulationsrechnungen zu dem Ergebnis, dass die Nutzer einzelner Einheiten in Mehrfamilienhäusern durch das Bodenwert- und Kostenwertmodell entlastet und Einfamilienhausnutzer stärker belastet werden. Die Flächensteuer entlastet hingegen Einfamilienhäuser bei geringer Mehrbelastung von Mehrfamilienhäusern. Die Besitzer unbebauter Grundstücke werden durch das Kostenwert- und insbesondere das Bodenwertmodell deutlich stärker mit Grundsteuer belastet, während sie im Flächenmodell spürbar entlastet werden. Individuelle Härtefälle müssen bei Bedarf durch Einzelfallregelungen abgefedert werden.
Fazit
Die Politik muss innerhalb der engen Fristen des BVerfG eine Neuregelung für die Bemessungsgrundlage der Grundsteuer finden. Andernfalls droht den Gemeinden ein Verlust einer ihrer wichtigsten Finanzierungsquellen. Für das Bodenwertmodell sprechen die Umsetzbarkeit, die Vereinbarkeit mit grundlegenden Gerechtigkeitsvorstellungen und die unterstützende Wirkung im Hinblick auf stadtplanerische und ökologische Ziele.
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