von Prof. Dr. Thorsten Polleit
Das Bundesverfassungsgericht hat gesprochen: Bundesregierung und Bundestag haben das deutsche Grundgesetz verletzt. Sie haben es unterlassen, dagegen vorzugehen, dass die EZB bei Ihrer Entscheidung, Staatsanleihen aufzukaufen im Zuge des „Public Sector Purchase Programme“ oder kurz „PSPP, weder geprüft noch dargelegt zu haben, dass diese Politik „verhältnismäßig“ ist. Der EZB hält das Gericht vor, die Auswirkungen ihrer Anleihekäufe nicht nach Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten abgewogen zu haben. Die Deutsche Bundesbank darf an den EZB-Anleihekäufen bis auf Weiteres nicht mehr mitwirken, so die Richter – allerdings erst nach einer Übergangsfrist von höchstens drei Monaten. Einen Verstoß des PSPP gegen das Verbot der monetären Haushaltsfinanzierung hat der Senat nicht festgestellt.
Eine beachtliche Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes, so bekunden viele Kommentatoren. Wer hätte gedacht, dass die Richter in Karlsruhe sich gegen den Europäischen Gerichtshof (EuGH) stellen und auch der EZB Sand ins Getriebe werfen würden? Zumal auch das oberste Gericht der Deutschen das EuGH-Urteil vom Dezember 2018 als einen „ultra vires-Akt“ bezeichnet hat: Der EuGH habe sich hinter die Politik der EZB gestellt, ohne auf die rechtlichen Bedenken des Bundesverfassungsgericht einzugehen. Und was passiert jetzt, fragt sich der interessierte Beobachter?
Nun kommt die EZB-Anleihekaufpolitik stärker denn je ans Licht der Öffentlichkeit. Bundesregierung und Bundestag müssen gegenüber dem Volk Rechenschaft ablegen. Das klingt schon mal nach was: Kritiker haben jetzt Angriffsfläche, Befürworter der EZB-Käufe müssen Farbe bekennen und Argumente vorbringen. Dass indes die Parlamentarier letztlich doch eine Mehrheit für die EZB-Anleihekäufe zusammenschustern, ist groß; und dann wird auch die Bundesbank wieder an den Anleihekäufen – insbesondere auch weiter am „Pandemic Emergency Purchase Programme“ kurz („PEPP“) – teilnehmen können. Denn die Wahrheit ist doch die: Ohne dass die EZB weiter die Schulden der Staaten monetisiert – also aufkauft und mit neuem Geld bezahlt –, ist das Euro-Projekt am Ende.
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